Das Ende von „Wetten Dass“ oder das Ende des Fernsehens?

„Wetten Dass“ wird abgesetzt. Diese Nachricht wurde landauf, landab gesendet. Das Flaggschiff des ZDF wird versenkt; die letzte große Abendunterhaltungsshow am Ende. Das Fernsehen bewegt also noch immer die Menschen, oder besser gesagt, es scheint so, dass zumindest das Thema „Fernsehen“ die Menschen bewegt – ob sie schauen oder nicht, sie berichten und reden darüber.

Wie intensiv darüber berichtet wurde, ist auf dem Blog Die Wahrheit über die Wahrheit festgehalten: Insgesamt 13 Artikel auf Spiegel Online zum Aus der Sendung innerhalb von zwei Tagen sind dort verzeichnet. Damit liegt die mediale Aufmerksamkeit dieses Ereignisses bei Spiegel Online immerhin in den Regionen des Tsunamis im Indischen Ozean 2004.

Warum diese mediale Aufgeregtheit? Vermutlich trifft auf Viele etwas zu, was Xander für sich selbst feststellt: Das Ende von „Wetten Dass“ sei wie der Tod der Kindheit. Denn vor allem Kindheitserinnerungen prägen die ‚Erinnerung‘ an „Wetten Dass“. Wenn die Sendung nun bald endet, ist eben ein Faden abgeschnitten, der von der Kindheit bis in die Gegenwart reichte – gleichgültig, ob man die Sendung noch sah oder nicht.

Die Gründe für das Aus werden in den Blogs kaum, was ja nahegelegen hätte, bei Markus Lanz gesucht. Auch das ZDF sprach vor allem von ‚veränderten Sehgewohnheiten‘. Manuel Simbuerger schreibt von einer verblassenden Anziehungskraft der Sendung; weniger Stars, langweilige Wetten und eben auch der blasse Markus Lanz. Simbuerger würdigt die Sendung mit zahlreichen eingestellten Filmausschnitten. Irrtierenderweise erscheint die Sendung damit plötzlich gar nicht antiquiert, denn die vielen kleinen Ausschnitte funktionieren; sie funktionieren so, wie es eben gute YouTube-Videos tun: Eine knappe Pointe, die ‚echt‘ ist, die sich ergibt aus einer Situation, wie eine schlagfertige Inge Meisel beispielsweise.

Roberto de Lapunte will die veränderten Sehgewohnheiten so nicht gelten lassen. Es sei eine Entscheidung der Quote. Die Quoten fielen zuletzt stark, damit greifen die Gesetze des Marktes. Was keinen Erfolg hat, wird abgesetzt. Und für die gefallene Quote wird anschließend ein Grund zurechtgezimmert: Die Quoten fielen, so lässt sich ergänzen, weil die Sehgewohnheiten sich verändert haben. Warum aber muss sich das ZDF an der Quote orientieren, fragt de Lapuente. Sollten die Rundfunkabgaben nicht genau diese Logik außer Kraft setzen? Nun will de Lapuente gar nicht sein „Wetten Dass“ zurück, er ist bloß irritiert, weil diese Marktlogik offenbar weitgehend akzeptiert wird; sich also über die Begründungen des ZDF niemand wundert.

In diesen Zusammenhang lässt sich die Dokumentation „Es werde Stadt“, die kürzlich lief und die im Juni noch einmal ausgestrahlt wird, von Dominik Graf und Martin Farkas, einordnen. Sebastian Schubert schreibt im Magazin des Glücks, wie der Film die These entwickle, dass die Einführung des kommerziellen Fernsehens politisch gewollt gewesen sei, was eben zu einem umkämpften Markt führte und – ebenfalls einkalkuliert – zum Ende des aufklärerischen Fernsehens. De Lapuente nennt seinen Artikel bezeichnend: „Welchem Anspruch dient der Traktor auf vier rohen Eiern?“ Fast wie Hohn klingt da der Glaube, an ein Medium „zur Verbesserung der Welt“, den Graf – trotz allem – nicht aufgeben wolle.